Spagyrik

Die Kunst zu lösen & zu verbinden

Das dem Griechischen entstammende Wort ‚Spagyrik‘ bedeutet:

Teilen, Trennen, Scheiden und wieder Verbinden, Wiedervereinigen.

Dem enstspricht das lateinische solve et coagula.

Es bezeichnet die direkteste und eingewurzelte Art des Menschen sich der Natur und ihren ‚Dingen‘ – nach Verstehen suchend – zu nähern.

Dabei deutet der zweite Teil, das Wiedervereinigen, auf jene hohe Qualität hin, welche in der Natur in vollem Umfang alleine dem Menschen zueigen ist. Die besondere menschliche Qualität liegt aber nun darin, daß er all das in der Haltung macht, die Ganzheit bewahren zu wollen, weil er begreift, daß alles Lebendige ein Ganzes ist. Verliert er diese Haltung, dann verliert er aus Sicht der Natur nicht weniger als den Rang des Menschen und gleicht eher einem einsamen Raubtier. Wenn man zuzeiten von ‚menschlicher Kultur‘ sprach, dann meinte man damit auch, daß die Äcker, die Wälder, Gärten, Stollen, Flüsse mit dementsprechendem Respekt behandelt und für Teile eines großen Zusammenhanges gehalten wurden. Aus diesem Verständnis gab Paracelsus seine Definition der Spagyrik: „Der rechte Umgang mit den Dingen der Natur“ und führt das Bild fort mit „das höchste aber ist die Arznei“.

Spagyrik – im Blickfeld der Paracelsischen Kunst

Die Spagyrik bedient sich weitestgehend aus dem traditionellen Begriffsverständnis der paracelsischen Literatur. Paracelsus Theophrastus von Hohenheim (1493-1541) war in der frühen Neuzeit einer ihrer bedeutendsten Vertreter, was u.a. in seinen eindringlichen Formulierungen und – damals noch unüblichen – deutschsprachigen Schriften einen Grund hat. Er galt schon zu seiner Zeit als kompetenter Kundiger,der in seinen Schriften (Archidoxen, Paragranum, Herbarium etc.) die Grundlagen dieser Tradition pregnant zusammenfaßte und zentrierte sie auf die Stimmigkeit und Authentizität „aus der Sicht der Natur“. Für einen ayurvedischen, tibetischen u.a. Heilkundigen sind die paracelsischen Termini selbstverständlich und das Grundgerüst seit Jahrtausenden gleichermaßen überliefert, gelehrt und angewandt, als da sind die 5 Elemente, die drei Prinzipien (Wind, Feuer, Erde), die Planetenkräfte etc. „Drum so lern Spagyria, die sonst genannt wird Alchymia, die lernt das Falsche scheiden vom Gerechten“ setzt Paracelsus als Grundlage zur Heilkunst.

Was ist Spagyrik?

Spagyrik ist gleichbedeutend mit Alchymie, wobei ersteres ein griechischstämmiges Wort und letzteres vmtl. mittelasiatischen Ursprungs ist (kimye wurde im alten China und in der Mongolei sowohl die „Kunst“ als auch deren höchstes Präparat, das absorbierbare Gold / Aurum Potabile genannt). Einen etwaigen Ursprung jener Traditionen etwa im Mittelalter ausfindig zu machen wird ebenso vergebens sein, wie der Versuch, Paracelsus als „Erfinder“ von etwas Neuem anzusehen. Von Generation zu Generation sprechen die Kundigen von „den Alten“, welche diese Kunst weit besser verstanden. In deren Texten wiederum wird dieselbe Meinung gegenüber den „Alten“ gefunden, und man muss schließlich zu den asiatischen Traditionen gehen, für die auch heute noch die mündliche Überlieferung – wortkorrekt – gemeinsam mit der Praxis wesentlich ist. Diese Kunst hat als Grundlage die „ars signaturae“. Die Signaturenkunde setzt das Verstehen voraus, dass in Mensch, Natur und Kosmos das Wirkende stets Kraft ist, und diese Kräfte sich mitunter auf stoffliche Art ausdrücken. Deshalb sind die Verfahren spagyrisch/alchymistischer Präparation danach ausgerichtet, die innewohnenden Wirkkräfte der „natürlichen Dinge“ (Pflanzen, Minerale) von ihrer stofflichen Ausdrucksform zu scheiden (i.e. die Prinzipien Sulfur, Merkur und Sal sind aufs Genaueste von ihren Schlacken zu scheiden.“) und dadurch das Essentielle, das Elixirische (Regenerierende, Hervorbringende) oder Quintessentielle (Idee; bei Paracelsus auch: Tugend) weitestgehend rein darzustellen und nutzbar zu machen. Entsprechend kunstvolle Präparationen erlauben dann die Bezeichnung spagyrische Essenz, Quintessenz, Elixir etc., wobei eine stoffliche Form erhalten bleibt. Die Spagyrik hat weder praktisch noch philosophisch oder historisch irgendeine Gemeinsamkeit mit der weit später und in gewisser Weise als „kleiner Zweig der Heilkunst“ hervorgebrachten Homöopathie. Vielmehr wird Spagyrik / Alchymie im authentisch-traditionellen Terminus als „Wurzel, Stamm oder auch Mutter der Heilkunst“ verstanden, wovon „die meisten anderen Künste ihren Ursprung haben“ (M. Crügner) – was verständlich ist, wenn man die Grundlage der ars signaturae erkennt, nämlich als Verständnis der Naturkräfte und deren Vernetzungen und Wirken in Mensch und Natur. Oftmals kann heute, besonders im Westen, der bemüht Lernende das rechte Verständnis noch nicht finden und meint, dass Alchymie eine Art mittelalterliche Vorform dessen gewesen ist, was heute als Chemie bezeichnet wird. Die Assoziation „mittelalterlich“ erschließend, müsste er schon eher denken „steinzeitlich“, so wie manche Kundige bemerken: „Das Wissen der Heilkunst ist gemeinsam mit dem Menschen zu Vorzeiten in die Welt gekommen.“ In dieser zeitlosen Tradition hat Paracelsus gestanden – und unzählige vor und nach ihm.

Darin liegt die Bedeutung von Spagyrik und Alchymie in der Heilkunst.


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